Gabbeh "Gaschghai "
19. Jhd.
264 X 150 cm

Gutachterliche Stellungsnahme von Herrn Siawosch Ulrich Azadi, von der Handelskammer Hamburg.
Öffentlich bestellter Sachverständiger für Orientteppiche

Kette, Schuß und Flor aus Wolle, ca. 84.000 Sy 1-Knoten per Quadratmeter
(symmetrischer bzw. sog. türkischer Knoten. 30 X 28)

Beschreibung:
Auf dem dunkelblauen Grund des Mittelfeldes sind vier Rauten in der Vertikale an einer Stange aneinander gereiht. Die Rauten werden durch horizontale Stangen, die sich mit Haken kreuzen, geviertelt. Von oben nach unten gesehen, sind drei von ihnen farblich wechselnd Rot, Hellblau und Rot. Das untere Stück ist gegenständig in Rot und Hellgrün gestaltet. Ganz gewiss haben die Farben einen symbolischen Gehalt besessen, z .B. gilt das Rot für Frühling. Das ist die schönste Jahreszeit, wo die Natur kurzfristig äußerst üppig blüht und gedeiht, bis die Sonne fast alle Pflanzen verdörrt. Teppiche müssen mit ihren Farben in Zusammenspiel mit ihren Ornamenten die Blütezeit konservieren.
Das Blau des Grundes symbolisiert den Winter, was die Jahreszeit angeht, die Erde jedoch, was die Elemente anbetrifft.
Die Raute als Medaillon heißt bei den Kaschkai Naksche Hozi (Zisternen-, oder das Basin-Muster, siehe Siawosch Azadi, "Mystik der Gab-beh, Hamburg 1987, S. 12 f; mit zahlreichen Beispielen bei den 32 Farbtafeln). Natürlich geht es dabei um das kostbare Wasser, in einer Gegend, wo das Leben und Überleben bedeuten kann. Die Rauten sind nach außen hin jeweils mit sieben

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weißen Spitzen versehen. Zusammen ergeben sie für die vier Rauten achtundzwanzig Zacken. Dieses kann sehr gut jeweils die sieben Tage einer Woche und zusammen die achtundzwanzig Tage eines Mondmonats bedeuten. Auf diesen Zusammenhang und seiner Verbindung mit dem unheilvollen Stern in Fars hatte ich aufmerksam gemacht (siehe Abb. 24). Überhaupt ist die "Sieben" eine magische Zahl.
Die hellgrundige Hauptbordüre zeigt eine Aneinanderreihung von achteckigen Rosetten, die farblich unterschiedlich komponiert sind. Es handelt sich um 71 Rosetten, von denen zwei viereckig und zwei klein und ins dunkelblaue ausfallen. Die Hauptbordüre ist jeweils von zwei Streifen umgeben. Es handelt sich um einen ungemusterten gelben Streifen und reziproke Dreiecksborten. Die letzteren werden als Speer- oder Pfeilspitze bezeichnet und übernehmen eine Art Wachfunktion über die Menschen, die auf dem Teppich leben. Einer der Charakteristika der frühen Kaschkai ist das Zusammenspiel der Farben der Nebenbordüren. Es ist kein Zufall, dass das Rot und Grün der reziproken Dreiecke, so postiert sind, dass das Rot neben dem Gelb der Außenborte fällt. Diese Komposition des Rot-Gelb steht höchstwahrscheinlich mit dem Mandalakult in Zusammenhang und stammt aus der vorislamischen Zeit und Mittelasien, wo die Masse der Kaschkai (Khaladj) herkommt.
Bemerkung :
Dieser Teppich ist voller Symbolik des "Hurufe Abjad" (= Wort-Zahlen-Sprache).Es würde jedoch im Rahmen eines Gutachtens zu weit führen, diese Zusammenhänge darstellen zu wollen.

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Erhaltungszustand :
Erstaunlich gut, sogar alle vier Kanten besitzen ihre Original-Befestigung. Die Ober- und Unterkante in wollener Leinwandbindung gewebt, umgelegt und auf der Rückseite angenäht, wie ursprünglich alle Gabbeh-Abschlüsse gewesen sind. Vor dem Abschluß eine Reihe Zwirnbindung.

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