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Textauszug der 5. Publikation
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Eine Oba ist eine Lagergemeinschaft, die aus mehreren Haushalten besteht. Diese Haushalte, die untereinander verwandt sind, besitzen zwischen 2 und 15 Zelte. Oba ist der wirtschaftliche und gesellschaftliche Kern der Schahsawan-Nomaden, damit vollzieht sich das Leben und die Weidewirtschaft im Rahmen der Oba.

Zu den Obas gibt es keine Straßen. Nur einzelne Pfade führen zu den jeweiligen Obas. Jemand, der mit dieser Gegend nicht vertraut ist, würde sehr leicht die Orientierung verlieren.

Der Dachkranz befindet sich etwa 2 Meter über dem Boden. Ein straffes senkrechtes Seil verbindet den Dach-Kranz mit dem Boden. Das Bündel von Seilen unter dem Dachring bietet auch einen geeigneten Platz, um Taschen oder Tücher aufzuhängen.

In den Trockenjahren gibt es hier kaum Niederschläge und die braune Erde bietet kaum Nahrung für die Schahsawan-Herden. Ihre traditionelle Lebensweise, ihre Eigenständigkeit, ihre Verbundenheit mit der Natur Bezahlen die Schahsawans mit dem Preis eines harten Lebens. Eine romantische Vorstellung von Nomaden,
die frei in der Natur umherziehen und nur Gott
und der Natur verpflichtet sind,
hat wenig mit der Wirklichkeit und dem harten Leben dieser Menschen gemein.

Eine Familie von der Oba "Haji-Tofig" im Geschlag-Gebiet. Schahsawan haben gelernt, sich optimal an die Natur anzupassen, und ihr das täglich abzuringen, was sie zum Leben brauchen. Diese Beschränkung auf das Notwendige, das ihr ganzes Leben durchzieht, macht es möglich, in ihrer Welt zu überleben.

"Die Lebensform der Schahsawan-Nomaden Irans befindet sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts in deutlicher Veränderung. Das periodenweise harte Vorgehen der Regierungen gegen Nomaden, gekoppelt mit der Übernahme von Waren aus den Industrieländern sowie ein zunehmendes Interesse an dem damit verknüpften Lebensstil führte z.T. zu Assimilierung, z.T. zu vollständiger Integration, möglicherweise auch zu anderen Reaktionsformen.

Es ist zu vermuten, dass mit dem Wandel der nomadischen Wirtschafts- und Lebensweise eine starke Veränderung der künstlerischen Schöpfung in der Textilkunst der Schahsawan-Nomaden stattgefunden hat.

Gegenstand des Projektes ist, die materielle Kultur der Schahsawan-Nomaden im Iran unter besonderer Berücksichtigung ihrer Web- und Knüpferzeugnisse zu untersuchen. Dabei sollen die Form des Tradierens von Know-how innerhalb der Stammeskultur und zugleich die Verarbeitung äußerer Einflüsse erforscht werden."

Dr. Razi Hejazian, Berlin 2002

Die Brennstoffversorgung ist in der winterlichen Oba durch die hoch aufgetürmten, kegelförmigen Dungstapel gewährleistet.

Der Ofen im Zelt, der mit dem Tierdung gespeist wird, ist von einer niedrigen Einfassung aus Lehm gerahmt. Drum herum auf dem Boden liegen Ofendecken. Um den Ofen spielt sich das soziale Leben ab.

In einem Allazig befindet sich in der Mitte ein runder Herd. Das Abzugsrohr des Herdes führt durch die Rauchklappe ins Freie.

Das Grundgerüst eines Allazigs (Schahsawan-Zelt) besteht aus 24 - 36 gebogenen Holzstützen und einem Dachkranz, in dem die Holzstützen zusammenlaufen. Die Plastiksäcke haben längst die handgearbeiteten Vorratstaschen (Juwals), die einst die Kunstfertigkeit der Weberinnen aufwiesen, verdrängt.

Die kastenförmigen Bettzeugtaschen (Mafrasch) stehen im Zelt Seite an Seite rings um den Innenraum auf einem niedrigen Steinsockel, der die Feuchtigkeit abhält. Diese Taschen, die meistens paarweise aufgestellt sind, bilden eine niedrige, weiche Mauer.

Alt sein bedeutet hier am Gipfel des Lebens angekommen zu sein. Das Wort der Alten, ob Frau oder Mann, hat Gewicht. Sie sind das Zentrum der Gemeinschaft. Vom jüngsten Sohn wird daher erwartet, dass er bei den Eltern im Allazig bleibt, um ihnen behilflich zu sein.

Wenn ein Baby im Zelt ist, wird es dort in eine Hängemattenwiege gelegt. Die schönen handgearbeiteten Wiegenbänder von früher sind heute durch Kunststoffseile ersetzt.

Die kleinen Kinder werden in den Tragetüchern auf dem Rücken getragen. Das lernen die Mädchen schon mit sieben Jahren.

In jeder winterlichen Oba befindet sich mindestens ein Tandir. Das ist eine Feuerstelle, die in die Erde senkrecht eingelassen ist und als Brotofen dient. Dieser Ofen ist auf einer erhöhten Terrasse angelegt.

Gastfreundschaft hat einen sehr großen Stellenwert bei den Nomaden. Kommen Gäste, so werden sie auf den Ehrenplatz im Allazig, der Platz gegenüber dem Eingang, gebeten. Tee ist das Grundelement der Gastfreundschaft in den Obas. Wer in einen Allazig kommt, wird sogleich mit Tee bewirtet.

Ob der stolze Schahsawan-Junge die Tradition der Vorfahren fortsetzen kann? Seit dem Schahsawans ihre Weideplätze zum größten Teil in den letzten Jahren verloren haben, sind sie in ihrer Existenz gefährdet.

Das tägliche Backen von Fladenbrot geschieht im Winter in dem Tandir. Der Teig aus Weizenmehl wird dünn auf der Backplatte ausgebreitet, und anschließend auf einem Dungfeuer erhitzt.

In den umliegenden Siedlungen und Ortschaften findet man Teehäuser, wo sich Überwiegend sesshaft gewordene Schahsawans versammeln. Es werden Lieder aus Vergangenen Zeiten, aus dem Nomadenleben der Vorfahren gesungen.

Transporter statt Kamel, Holzkiste statt handgewebter Mafrasch, PVC-Plane und Plastikdecke statt Filzmatte für das Zelt, Jeansmode statt traditioneller Kleidung. Angesichts des erstaunlich schnell fortschreitenden Wandels, dem die Schahsawan jetzt unterworfen sind, werden auch die heute gerade noch sichtbaren Spuren der traditionellen nomadischen Lebens- und Wirtschaftsweise in absehbarer Zeit verschwinden.

Die Butter (Nehra Karasi) wird dadurch erzeugt, dass die an einem Dreifuß hängende schwarze Lederhaut (Nehra) voller Milch vor-und zurückbewegt wird.

Eine Siedlung sesshaft gewordener Schahsawans mit festen Betonhäusern,. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die letzten Nomadenzelte (Allazigs) abgeschafft sind.

Die Schahsawan-Nomaden sind Viehzüchter. Sie züchten in erster Linie Schafe und wenige Ziegen. Ihr tradierter Lebensrhytmus wird von den Abläufen und Notwendigkeiten der Natur bestimmt.

Wenn die Schafe im Spätherbst und Anfang Winter zu Beginn des Geschlag- Aufenthaltes werfen, findet dem zu Folge die Milchverarbeitung in dieser Zeit statt. Die Schafe werden täglich gemolken. Aus der gewonnenen Milch wird Käse und Joghurt erzeugt.

Wie die Kamelkarawane und marterielles Kunstschaffen dieser Menschen zur Vergangenheit gehören, werden bald auch die einsame Allazigs völlig verschwinden.

Die traditionelle Tracht der Schahsawan-Frauen unterscheidet sich von der üblichen Kleiderordnung in den Dörfern und Städten. Hier tragen die Frauen meistens Gewänder, Kopftücher und Schals mit bunten Farben.

Neben Milchprodukten in verschiedenen Reifestadien ist das Brot die Hauptnahrung der Schahsawan.

Ein Alazig der Schahsawan-Nomaden in der Moghan-Steppe. Die Weideplätze hier befinden sich in dem für die agrarischen Erschließung vorgesehenen Erweiterungsgebiet. Es herrscht eine grosse Unsicherheit über die Zukunft und über immer knapper werdende Weidegebiete.

Das Gerüst eines Allazigs ist mit wasserabweisenden Filzbahnen bedeckt. Die ursprünglich hellen Filzdecken auf dem Gerüst werden mit der Zeit graubraun, so dass sich die Zelte für den entfernten Betrachter kaum von der Umgebung unterscheiden.

Die reiche Textiltradition der Schahsawan ist vollständig durch Verni-Produktion in den Siedlungen, die im vollem Maße durch Auftragsarbeit marktwirtschaftlich ausgerichtet ist, ersetzt. Es werden keine Textilien mehr zum Eigenbedarf hergestellt.

Der Eingang eines Allazigs ist mit einer rechteckigen, innen durch eine Schilfmatte verstärkten und dadurch aufrollbaren Filzdecke verschließbar. Auf diesem Eingangsfilz ist meistens ein sich verzweigendes Muster aus dunkler Wolle in Applikationstechnik eingearbeitet.

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